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Vom Musiker zum Motivationscoach – Dirigieren in Corona-Zeiten

Alica Biewald berichtet von ihrer Arbeit beim Musikverein 1905 Ober Wöllstadt e.V.

Meine Arbeit als Dirigentin der drei Jugendorchester des Musikvereins ist seit Corona deutlich vielfältiger geworden. Vor Corona war ich Musikerin und Pädagogin, jetzt bin ich IT-Spezialistin, Referentin, Seelsorgerin, Tontechnikerin, Motivationscoach und vieles mehr.

Normalerweise treffen wir uns einmal in der Woche zur Orchesterprobe in den verschiedenen Gruppen. Die Bläserklasse wird von Zweit- und Drittklässler der örtlichen Grundschule besucht, das Miniorchester „Piccolinos“ besteht aus Musikern, die seit ca. ein bis zwei Jahren Ihr Instrument spielen. Das Jugendorchester „Sound Factory“ ist als Vorbereitung auf das Stammorchester des Musikvereins für Musiker, die schon viel Erfahrung auf ihrem Instrument gesammelt haben. Für die Orchesterproben bereite ich jede Woche einen Ablauf vor. Das kann man mit dem Sportunterricht in der Schule vergleichen. Wie vor dem Sport die Muskeln aufgewärmt werden müssen, wärmen wir unsere Instrumente ein wenig auf, indem wir gemeinsam Tonleitern, eine Rhythmusübung oder ein leichtes Stück spielen. Nach dem Aufwärmen geht es los mit der Übungsphase. Wir erlernen quasi mit jedem neuen Stück, sei es ein Popsong aus den Charts oder eine Komposition extra für Jugendblasorchester, eine neue Sportart, die geübt werden will. Als Dirigentin muss ich der Truppe zum einen die richtige Technik beibringen und zum anderen den Takt angeben, damit wir alle gemeinsam ins Ziel kommen. Darum ist Teamgeist gefragt.

Seit Corona ist das Zusammenspiel im Orchester leider vorerst nicht möglich. Trotzdem versuche ich die Kinder und Jugendlichen immer wieder aufs Neue für die Musik zu begeistern. Dafür haben wir virtuell „Wer wird Musik-Millionär“ gespielt und uns über Zoom zur virtuellen Probe getroffen. Hin und wieder gibt es Aufgaben zum Üben aus der Auftrittsmappe und auch ein Videoprojekt steht momentan in den Startlöchern. Die Kinder können mich auch regelmäßig über die gängigen Plattformen erreichen, sei es um mir etwas vorzuspielen, Fragen zu stellen oder einfach nur ihr Leid zu klagen, denn nervige Geschwister, Homeschooling und das Fernbleiben der sonst so alltäglichen sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen ist nicht für Jede:n so einfach. Musik ist immer eine gute Alternative zum eintönigen Alltag vor dem PC und bringt andere Gedanken.

Auch wenn ich jetzt seit einiger Zeit nicht die Möglichkeit habe mit den Kindern von Angesicht zu Angesicht zu proben, das Orchester zu dirigieren und mir das sehr fehlt, übe ich regelmäßig. Das fängt beim Kennenlernen einer neuen Partitur an, geht über das Spielen einzelner Stimmen am Klavier bis hin zum Üben der Dirigiertechnik vor dem Spiegel. Denn auch ich möchte für die erste Probe gut vorbereitet sein. Ich freue mich unendlich darauf.